06.08.2012

Rechtsmissbrauch durch Kettenbefristungen in der Justiz?

Ausgerechnet die Justizverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen muss sich nunmehr im Einzelnen mit dem Vorwurf eines Rechtsmissbrauchs durch Kettenbefristung mehrerer Arbeitsverträge auseinandersetzen:

Ohne Weiteres möglich sind bekanntlich nur eine Befristung und drei Verlängerungen eines Arbeitsvertrags bis zur Gesamtdauer von 2 Jahren. Darüber hinaus bedarf es eines beson-deren sachlichen Grundes, soweit der Arbeitgeber weitere Befristungen vornehmen möchte anstelle einer unbefristeten Einstellung. Eine Justizangestellte im Geschäftsstellenbereich des Amtsgerichts Köln wurde von dem Land Nordrhein-Westfalen von Juli 1996 bis Dezem-ber 2007 mit insgesamt 13 befristeten Arbeitsverträgen eingesetzt zur Vertretung verschie-dener Justizangestellter, die sich in Elternzeit oder Sonderurlaub befanden. Grundsätzlich sind derartige Vertretungsfälle als sachlicher Grund auch anerkannt. Die Klägerin ging je-doch von einem Rechtsmissbrauch aus, weil die Gesamtdauer von mehr als 11 Jahren und die Anzahl von 13 Befristungen dafür spreche, dass das beklagte Land die Möglichkeit einer Vertretungsbefristung rechtsmissbräuchlich ausgenutzt hatte.

Das Landesarbeitsgericht Köln hatte in seine Entscheidung vom 15.05.2009 die Befristung dennoch für wirksam gehalten. Der europäische Gerichtshof hat mit Beschluss vom 17.11.2010 in dieser Angelegenheit klargestellt, dass die wiederholte Befristung eines Ar-beitsvertrags auch dann auf einen Sachgrund der Vertretung gestützt werden darf, wenn bei dem Arbeitgeber ein ständiger Vertretungsbedarf besteht, der ebenso durch unbefristete Einstellungen befriedigt werden könnte. Allerdings müssten die nationalen stattlichen Stellen alle mit der Verlängerung der befristeten Verträge verbundenen Umstände berücksichtigen.

Der 7. Senat des Bundesarbeitsgerichts hat nunmehr mit einem Urteil vom 18.07.2012 die zu Grunde liegende Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln aufgehoben, um dem be-klagten Land Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, warum hier besondere Umstände vorliegen sollen. Wegen der Vielzahl von Befristungen und der langen Dauer beständen nämlich starke Indizien dafür, dass das Land Nordrhein-Westfalen seine eigene Justizange-stellte rechtsmissbräuchlich immer wieder auf Befristungen verwiesen hatte.

Das Verfahren wird demnach aktuell vor dem Landesarbeitsgerichts Köln wieder aufgenom-men. Es bleibt abzuwarten, ob dem Land Nordrhein-Westfalen nunmehr derartige besondere Umstände einfallen, die einen Rechtsmissbrauch ausnahmsweise ausschließen sollen.

Erfreulicherweise schreckt die Arbeitsgerichtsbarkeit also nicht davor zurück, die Wirksam-keit von Arbeitsvertragsbedingungen der eigenen Landesjustizverwaltung in Frage zu stellen. Auch bei Beurteilung der Arbeitsbedingungen in der Justiz selbst gilt damit gleiches Recht für alle. 
 

Martin Löbbecke,
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Gladbeck