10.05.2011

Jesus hat Sie lieb

Das Arbeitsgericht Bochum hatte am 08.07.2010 entschieden, dass die Kündigung eines Call-Center-Agents unwirksam sei, der sich wegen seiner tief religiösen Haltung entgegen einer Anweisung seines Arbeitgebers jeweils aus Kundengesprächen verabschiedet hatte mit den Worten „Jesus hat Sie lieb, vielen Dank für Ihren Einkauf bei QVC und einen schönen Tag“.

Nach Auffassung des Arbeitsgerichts Bochum war die Kündigung unwirksam, weil die unternehmerische Freiheit der Arbeitgeberin hinter die Glaubens- und Bekenntnisfreiheit des Klägers zurückzutreten habe.

Gegen diese Entscheidung hatte die Arbeitgeberin Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat nunmehr am 20.04.2011 das Urteil aufgehoben und die Kündigung für rechtswirksam erklärt. Dazu wurde hervorgehoben, dass im Spannungsfeld zwischen Glaubensfreiheit und unternehmerischer Betätigungsfreiheit eine Abwägung der beiderseitigen Interessen zu erfolgen hat. Die Glaubensfreiheit kann dabei nur Vorrang erhalten, wenn der betreffende Mitarbeiter nachvollziehbar darlegen kann, dass er ohne innere Not nicht von einer aus seiner Sicht zwingenden Verhaltensregel absehen könne. Eine solche Einschätzung konnte die Berufungskammer dem dortigen Kläger nicht abnehmen, da er sich im Rahmen einer laufenden Beschäftigung während des Gerichtsprozesses verpflichtet hatte, auf die von ihm zuvor als zwingend angesehene Ergänzung der Grußformel zu verzichten. Damit hatte er seine Ausführungen faktisch widerlegt, nach denen er von einer aus seiner Sicht zwingenden Verhaltensregel nicht absehen konnte.

Diese Berufungsentscheidung scheint gut nachvollziehbar vor dem Hintergrund, dass zwar die Freiheit des religiösen Bekenntnisses verfassungsrechtlich geschützt ist, aber nicht ersichtlich ist, dass eine zwingende Verhaltensregel irgendeiner Weltreligion existieren könnte, die den ausdrücklichen Gruß „Jesus hat Sie lieb“ von ihren Angehörigen verlangt. Die weitere Verwendung dieser Schlussformel trotz ausdrücklich anderweitiger Anweisung und Abmahnung erschien dem Landesarbeitsgericht deshalb wohl eher als Provokation, als als religiöses Bekenntnis.

 

Martin Löbbecke,
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in Gladbeck