Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes

Die Regierungskoalition hat sich auf den Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes geeinigt, der sich auf weite Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens erstreckt.

Die Bundesjustizministerin hat am 15. Dezember 2004 für die Regierungskoalition den Entwurf eines Antidiskriminierungsgesetzes vorgestellt. Der Gesetzentwurf soll im Januar 2005 in den Bundestag eingebracht werden und enthält zahlreiche Diskriminierungsverbote für öffentliche Einrichtungen, Unternehmen und Privatpersonen.

So sind im Entwurf eine ganze Reihe arbeitsrechtlicher Regelungen enthalten, die allerdings zu einem großen Teil schon gängige Praxis und in der Rechtsprechung verankert sind. Außerdem ist die Einrichtung einer Antidiskriminierungsstelle des Bundes vorgesehen, die Betroffene über ihre Rechte informieren, im Streitfall als Schlichtungsstelle fungieren und Antidiskriminierungsmaßnahmen fördern soll. Notwendig wurde der Gesetzentwurf unter anderem, weil die Bundesrepublik einige EU-Richtlinien in nationales Recht umsetzen muss.

Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind folgende Regelungen vorgesehen:

Allgemeines Benachteiligungsverbot für alle Diskriminierungsmerkmale der EG-Gleichbehandlungsrichtlinien (Rasse oder ethnische Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Alter, Behinderung und sexuelle Identität).

Arbeitgeber, Arbeitnehmer und deren Vertretungen werden aufgefordert, Benachteiligungen zu verhindern oder zu beseitigen.

Beschäftigte, die von einer Diskriminierung betroffen sind, können sich bei einer zuständigen Stelle (zum Beispiel beim Arbeitgeber, einem Vorgesetzten oder der Arbeitnehmervertretung) beschweren. Außerdem dürfen Sie die Arbeit verweigern, wenn der Arbeitgeber keine ausreichenden Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung ergreift und die Verweigerung im Einzelfall für den Schutz des benachteiligten Beschäftigten erforderlich ist. Benachteiligte Beschäftigte haben außerdem Anspruch auf Ersatz des ihnen entstanden materiellen und immateriellen Schadens. Wer seine Rechte in Anspruch nimmt, darf deswegen keinen Nachteil erleiden.

Diese Rechte individuelle Ansprüche der Beschäftigten, die notfalls vor dem Arbeitsgericht eingeklagt werden können. Betroffene Arbeitnehmer können sich aber auch an den Betriebsrat wenden. Bei groben Verstößen des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot können auch der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft vor dem Arbeitsgericht auf Unterlassung oder auf Duldung oder Vornahme einer Handlung klagen.

Nicht jede ungleiche Behandlung ist eine verbotene Benachteiligung. So erlauben die Richtlinien beispielsweise die Festsetzung eines Höchstalters für die Einstellung auf Grund der spezifischen Ausbildungsanforderungen eines bestimmten Arbeitsplatzes oder auf Grund der Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand. Spezifische Fördermaßnahmen zum Ausgleich bestehender Nachteile (zum Beispiel Frauenförderung und Maßnahmen für Behinderte) bleiben ebenfalls zulässig.

Die arbeitsrechtlichen Vorschriften gelten unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung entsprechend für alle Beamten und Richter des Bundes und der Länder.

Auch im Zivilrecht ist die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, des Alters, einer Behinderung oder der sexuellen Identität zukünftig sanktioniert. Zulässig bleiben auch weiterhin Unterscheidungen, die auf einem sachlichen Grund beruhen. Das Bundesjustizministerium hat eine Reihe von Beispielen für Änderungen im Zivilrecht veröffentlicht:

Vermieter dürfen ihre Mieter nach dem neuen Gesetz nicht mehr nach der Ethnie des potenziellen Mieters auswählen. Trotzdem wird es für den Betroffenen im Einzelfall schwierig sein, einen Verstoß zu beweisen - es sei denn, der Vermieter sagt ganz offen, dass er nicht an Ausländer vermieten will. Ausgenommen von dieser Regel ist der persönliche Nähebereich des Vermieters, wenn also beispielsweise Mieter und Vermieter auf dem gleichen Grundstück wohnen.

Ausdrücklich verboten ist, Menschen wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit den Zugang zu Gaststätten, Diskotheken Fitnessstudios etc. zu verweigern. Notfalls kann der Zutritt gerichtlich erzwungen werden. Außerdem kann die Verweigerung Schadensersatzansprüche auslösen.

Bislang konnten Unternehmer, die Massengeschäfte abwickeln, eigene religiöse oder weltanschauliche Vorstellungen auch gegenüber ihren Kunden durchsetzen. So konnte etwa ein islamischer Metzger die Bedienung von Frauen verweigern, die kein Kopftuch tragen. Nun kann er diese Praxis nur dann beibehalten, wenn er darlegen kann, dass seine Religion ihm diese Auswahl der Kundschaft gebietet. Erlaubt ist jedoch weiterhin die Unterscheidung nach der Religion und Weltanschauung dort, wo zum Beispiel Religionsgemeinschaften von ihrem Selbstbestimmungsrecht Gebrauch machen.

Anbieter von Massengeschäften dürfen außerdem zukünftig nicht mehr ohne weiteres Altersbeschränkungen (Mindest- oder Höchstalter oder Angebote nur für bestimmte Altersgruppen) vorsehen, was bisher durchaus zulässig war. Altersbeschränkungen sind nur noch dann möglich, wenn diese - wie im Fall des Jugendschutzes - im Gesetz vorgesehen sind oder eine besondere Rechtfertigung dafür existiert. Vergünstigungen für jüngere oder ältere Kunden (Studenten- und Seniorenrabatte) bleiben auch weiterhin erlaubt.

Hotels dürfen gleichgeschlechtliche Paare nicht mehr abweisen. Homosexuelle dürfen auch beim Abschluss von Versicherungen (etwa wegen eines vermeintlich höheren AIDS-Risikos) nicht benachteiligt werden und können den Vertragsschluss einklagen, wenn er ohne Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot zustande gekommen wäre.

Auch für behinderte Menschen gelten zukünftig strengere Antidiskriminierungsregeln. Konnte bisher beispielsweise ein Gastwirt wegen seines Hausrechts Behinderten den Zugang verweigern, ist ihm das zukünftig verboten. Gleiches gilt bei anderen Leistungen, die typischerweise ohne Ansehen der Person erbracht werden, ist die Zurückweisung Behinderter unzulässig. So können auch Versicherungen den Versicherungsantrag eines Behinderten nicht mehr ohne weitere Begründung ablehnen. Die Ablehnung oder ein höherer Beitrag ist nur dann zulässig, wenn sich durch die Behinderung das zu versichernde Risiko erhöht.

Bislang waren private Versicherungsunternehmen verpflichtet, das unterschiedliche Lebensalter von Frauen und Männern bei der Kalkulation zu berücksichtigen. Kosten der Schwangerschaft wurden den Frauen als "Krankheitskosten" zugerechnet. Nach dem Antidiskriminierungsgesetz sind auch Unisex-Tarife möglich. Kosten von Schwangerschaft und Entbindung müssen zwingend geschlechtsneutral verteilt werden.

 
[mmk]